Das Potenzial heimischer Körnerleguminosen ist groß
Die Transformation des Ernährungssystems hin zu einer nachhaltigeren, resilienteren und wettbewerbsfähigeren Struktur wird in Deutschland zunehmend als wirtschaftliche Chance erkannt. Einen zentralen Baustein dieser Entwicklung bildet die Proteinvielfalt. Das gilt insbesondere für pflanzenbasierte Alternativen, zu deren Rohstoffbasis Hülsenfrüchte wie Körnererbsen, Ackerbohnen, Sojabohnen und Süßlupinen gehören. Hülsenfrüchte bieten nicht nur gesundheitliche und ökologische Vorteile, sondern auch große Potenziale zur Stärkung der heimischen Landwirtschaft und Wertschöpfung.
Deutschland als Vorreiter im pflanzenbasierten Markt
Mit einem Einzelhandelsumsatz von rund 2,2 Mrd. € im Jahr 2023 ist Deutschland der größte Markt für pflanzenbasierte Lebensmittel in Europa. Pflanzliche Milchalternativen und Fleischersatzprodukte dominieren bisher den Markt, wobei Hülsenfrüchte, vor allem Erbsen und Soja, zentrale Zutaten dieser Produkte sind.
Laut Statistischem Bundesamt wurden 2024 in Deutschland rund 1,5 kg Fleischersatzprodukte pro Kopf erzeugt. Insgesamt sind das 126.500 Tonnen (+ 4,0 %) mehr als 2023 (121.600 Tonnen). Besonders die steigende Nachfrage nach pflanzlichen Proteinen für die menschliche Ernährung eröffnet heimischen Erzeugern von Körnerleguminosen neue Absatzkanäle.
Perspektiven für Landwirte durch Leguminosen
Die Studie „A Taste of Tomorrow – How protein diversification can strengthen Germany’s economy“, (SYSTEMIQ 2025) hebt hervor, dass Hülsenfrüchte mit ihren positiven Effekten auf Bodengesundheit, Klimaanpassung und Ertragssicherheit künftig eine größere Rolle in der Fruchtfolge spielen sollten.
Das Potenzial ist groß: Die Importabhängigkeit bei pflanzlichen Eiweißen – etwa bei Soja – könnte durch den Ausbau heimischer Kulturen wie Ackerbohne, Körnererbse oder Süßlupine deutlich gesenkt werden. Gleichzeitig zeigen erste Projekte, dass sich mit regional angebauten Sojabohnen stabile Erträge und attraktive Vermarktungskanäle z. B. über Vertragsanbau realisieren lassen. Verarbeiter und Handel beginnen, Qualität „Made in Germany“ gezielt nachzufragen.Zudem könnte eine stärkere Nutzung von Nebenströmen aus der Verarbeitung, etwa Fasern oder Stärke aus Hülsenfrüchten, für die Produktion von Fleischalternativen zusätzliche Erlösmöglichkeiten schaffen. Die Studie empfiehlt daher verstärkte Forschung zur gezielten Wertschöpfung aus Nebenprodukten.

Arbeitsplätze und Wertschöpfung entlang der Hülsenfrüchte-Wertschöpfungskette
Im hochambitionierten Entwicklungsszenario (High Ambition) erwartet die Studie bis 2045 bis zu 40.000 neue Arbeitsplätze allein im Bereich der Produktion landwirtschaftlicher Rohstoffe, darunter viele in der Leguminosenerzeugung. Der Anbau und die Bereitstellung u. a. von Körnererbsen, Ackerbohnen und Sojabohnen könnten zur tragenden Säule einer neuen Wertschöpfungskette werden.
Durch den Aufbau regionaler Verarbeitungskapazitäten für Hülsenfrüchte ließe sich die Importabhängigkeit bei proteinreichen Vorprodukten wie Sojaisolat verringern. Das schafft Wertschöpfung in ländlichen Regionen und erhöht die Ernährungssouveränität.
Nachhaltigkeit und Ernährungsvorteile durch Hülsenfrüchte
Hülsenfrüchte liefern hochwertige pflanzliche Proteine, Ballaststoffe und Mikronährstoffe – bei gleichzeitig geringem CO₂-Fußabdruck und niedrigem Wasserverbrauch im Vergleich zu einer rein tierischen Ernährung. In den mittleren und hohen Ambitionszenarien (Medium and High Ambition) könnte die Diversifizierung der Proteinversorgung die Emissionen bis 2045 um eine Menge reduzieren, die dem Wegfall von 1 bis 1,8 Millionen Autos entspricht. Im Vergleich zu Fleisch und Meeresfrüchten, Milchprodukten und Eiern könnten alternative Proteine in diesen Szenarien bis 2045 die Emissionen um ~4,8 bis 8,1 Millionen Tonnen Kohlendioxidäquivalente reduzieren, was etwa 14 Prozent bis 23 Prozent der Emissionen aus der Tierhaltung entspricht. Durch den Einsatz alternativer Proteine könnte der Frischwasserverbrauch jährlich um 76 bis 129 Millionen Kubikmeter senken, was in etwa dem Verbrauch von 420.000 bis 720.000 Haushalten entspricht, wenn man von den Szenarien „Medium“ und „High Ambition“ ausgeht – 17 Prozent bis 29 Prozent des Frischwasserverbrauchs in der Landwirtschaft.
Der Umstieg auf pflanzenbasierte Ernährung mit einem hohen Anteil an Leguminosen bietet laut Studie erhebliche Vorteile für die öffentliche Gesundheit, etwa durch Senkung von Cholesterinwerten und Reduktion von Übergewicht.
Diese gesundheitlichen Benefits könnten künftig auch stärker im öffentlichen Beschaffungswesen genutzt werden. So empfiehlt die Studie, pflanzliche Proteinquellen wie Hülsenfrüchte verbindlich in die Gemeinschaftsverpflegung (Kita, Schule, Kantine) zu integrieren. Das würde die Nachfrage planbar machen und die heimische Produktion stärken.
Trotz der großen Chancen bestehen aktuell noch erhebliche Hürden. Besonders bei der Förderung der Forschung zu alternativen Eiweißquellen abseits von Soja ist laut Studie eine stärkere öffentliche Unterstützung nötig. Deutschland liegt bei den öffentlichen F&E-Ausgaben für alternative Proteine bisher hinter Ländern wie Dänemark, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich zurück.
Alternativprodukte zu tierischen Lebensmitteln: Empfehlungen des WBAE für eine nachhaltigere Ernährung
Auch der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) beim Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat sieht eine große Chance in der Förderung pflanzenbasierter Lebensmittel. Vor dem Hintergrund globaler Umwelt- und Gesundheitsherausforderungen hat der WBAE im Juli 2025 ein umfassendes Gutachten „Mehr Auswahl am gemeinsamen Tisch: Alternativprodukte zu tierischen Lebensmitteln als Beitrag zu einer nachhaltigeren Ernährung“ vorgelegt. Es beleuchtet das Potenzial von Alternativprodukten zu Fleisch, Milch und Käse, deren Rolle in einer nachhaltigen Ernährungsstrategie und die nötigen politischen Rahmenbedingungen.Der Beirat betont, dass eine deutlich reduzierte Nachfrage nach tierischen Lebensmitteln ein zentraler Hebel für die Erreichung von Klima-, Umwelt- und Gesundheitszielen ist. Alternativprodukte auf pflanzlicher Basis wie Sojabohnen, Körnererbsen, Ackerbohnen und Süßlupinen können hier einen wichtigen Beitrag leisten, vorausgesetzt, sie werden politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich strategisch eingebettet. Diese tragen nicht nur zur Proteinversorgung bei, sondern wirken sich positiv auf die Biodiversität, den Boden und die Treibhausgasbilanz aus.
Die Rolle pflanzenbasierter Alternativen im Ernährungssystem
Laut Gutachten steigt die Akzeptanz pflanzlicher Alternativen, besonders bei jungen, urbanen Zielgruppen. Trotzdem liegt ihr Marktanteil noch unter 10 % der tierischen Vergleichsprodukte. Die Autorinnen und Autoren sehen hier ein deutliches Wachstumspotenzial, das durch eine klare politische Rahmensetzung gefördert werden könnte.
Dabei wird deutlich: Hülsenfrüchte sind Schlüsselrohstoffe für die Herstellung von Fleisch- und Milchalternativen – ob als Isolate, Konzentrate oder in texturierter Form. Gleichzeitig seien heimische Eiweißpflanzen aus agrarpolitischer Sicht bislang unterstützungsbedürftig, da die Produktions- und Verarbeitungsinfrastruktur in Deutschland noch nicht mit der internationalen Nachfrage Schritt hält.
Empfehlungen des Beirats mit Relevanz für Hülsenfrüchte
Der WBAE spricht neun zentrale Empfehlungen aus. Besonders relevant im Zusammenhang mit heimischen Hülsenfrüchten sind:
- Politische Zielsetzung für den Wandel im Ernährungssystem
→ Strategische Begleitung des Wandels hin zu mehr pflanzlicher Ernährung durch den Staat, u. a. mit einer nationalen Eiweißstrategie, die sowohl den Konsum als auch den Anbau heimischer Leguminosen fördert. - Produktentwicklung und Rohstoffbasis stärken
→ Förderung von Forschung und Innovation bei der Entwicklung von Alternativprodukten, insbesondere auf Basis regionaler Hülsenfrüchte. - Lebensmittelkennzeichnung und Transparenz verbessern
→ Bessere Erkennbarkeit von pflanzenbasierten Alternativen, auch unter Herkunftsaspekten – ein Vorteil für Produkte „Made in Germany“. - Öffentliche Beschaffung als Hebel nutzen
→ Pflanzenbetonte, ausgewogene Menüs, die Hülsenfrüchte enthalten, in Schulen, Kitas, Krankenhäusern und Kantinen. - Infrastruktur für die Verarbeitung stärken
→ Aufbau von regionalen Verarbeitungsstrukturen für Leguminosen – z. B. für Extraktion, Fermentation oder Trocknung.
Chancen für Landwirtschaft und Verarbeitung
Das Gutachten macht deutlich, dass der Wandel zu mehr pflanzlicher Ernährung strukturpolitische Chancen bietet, besonders für die Landwirtschaft, die Eiweißpflanzen anbaut. Durch gezielte Anreize könnten Landwirtinnen und Landwirte stärker in die Wertschöpfungskette eingebunden werden – zum Beispiel durch:
- Vertragsmodelle mit Verarbeitern,
- neue Veredelungstechnologien für Hülsenfrüchte,
- und bessere Vermarktungsoptionen im regionalen Umfeld.
Rapsöl bleibt meistverwendetes Speiseöl in deutschen Haushalten
Rapsöl ist und bleibt die Nummer 1 in deutschen Küchen. Auch im Jahr 2024 griffen Verbraucherinnen und Verbraucher beim Einkauf am häufigsten zu diesem Speiseöl. Mit insgesamt 86 Millionen Litern hat Rapsöl laut Zahlen der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) deutlich die Nase vor anderen Pflanzenölen. (Quelle: YouGov CP Germany) Davon waren 12,7 Millionen Liter Kaltpressungen, was circa 15 Prozent der Gesamtmenge an Rapsöl entsprach.
Damit baute Rapsöl seinen Marktanteil im Vergleich zum Vorjahr sogar noch aus. Rund 40 Prozent des gesamten privaten Speiseölverbrauchs (213,7 Millionen Liter) entfielen auf das wichtigste heimische Pflanzenöl. In absoluten Zahlen konnte Rapsöl einen Zuwachs von acht Millionen Litern im Vergleich zum Vorjahr verzeichnen.

Rapsöl vor Sonnenblumen- und Olivenöl
Nach Rapsöl folgte Sonnenblumenöl mit 64,1 Millionen Litern (2023: 60 Millionen Liter) auf Platz zwei. Olivenöl belegte mit 36,1 Millionen Litern Rang drei (2023: 34 Millionen Liter). Trotz eines schwierigen Preisumfelds – insbesondere bei Olivenöl aufgrund geringer Ernten in Südeuropa – blieb die Nachfrage in allen drei Segmenten weitgehend stabil. Insgesamt entfielen mehr als 88 Prozent des Speiseölmarktes auf diese drei Ölarten. Andere Öle – wie etwa Kokos-, Maiskeim- oder Distelöl – spielten im Verbrauch deutscher Haushalte eine untergeordnete Rolle.
Nach zwei von Unsicherheit geprägten Jahren stieg der Konsum von Speiseölen insgesamt wieder an: 2024 wurden 213,7 Millionen Liter Speiseöl eingekauft, ein deutliches Plus gegenüber 2023 (199 Millionen Liter). Der erneute Anstieg deutet auf eine Stabilisierung des Marktes hin. Die Preisspitzen infolge geopolitischer Krisen haben sich 2024 abgeschwächt und das Verbraucherverhalten hat sich normalisiert.
Insgesamt konsumierten die Haushalte in Deutschland im Jahr 2024 620,3 Millionen Liter Speisefette und -öle. Butter stellt mit 198,5 Millionen Liter weiterhin die wichtigste Einzelkategorie im Bereich der Streichfette dar. Pflanzliche Streichfette (z. B. Margarine) machten 134,4 Millionen Liter aus, gefolgt von den Streichmischfetten mit 73,6 Millionen Litern.
