5.4 Fachkommission Humanernährung

Sektionen Wissenschaft und Technologie

Im Berichtszeitraum tagten beide Sektionen gemeinsam am 19. November 2024 online und am 20. Mai 2025 in Präsenz. Im Frühjahr fand ein gemeinsamer Sitzungsteil mit der UFOP-Fachkommission Tierernährung statt.

In der Herbst-Sitzung stellte Prof. Dr. Nils Helge Schebb, Uni Wuppertal, sehr umfangreiche Daten aus den Arbeiten seiner Arbeitsgruppe(AG) zur Oxidation von Pflanzenölen sowie den dabei entstehenden Verbindungen vor. Schwerpunkte entsprechender Untersuchungen waren die Veränderungen während der Lagerung und der Verarbeitung von Ölen sowie dem Frittieren – u.a. wurden Rapsöl und Leinöl betrachtet. In den Arbeiten konnte die AG von Prof. Schebb auch neue Oxylipine identifizieren. Weiterführend wird auf folgende Publikationen der AG Prof. Schebb aus den Jahren 2022-2024 verwiesen:

  • Characterization of the Oxylipin Pattern and Other Fatty Acid Oxidation Products in Freshly Pressed and Stored Plant Oils
  • Trans-Hydroxy, Trans-Epoxy, and Erythro-dihydroxy Fatty Acids Increase during Deep-Frying
  • Beyond Autoxidation and Lipoxygenases: Fatty Acid Oxidation Products in Plant Oils
  • Do meals contain a relevant amount of oxylipins? LC-MS-based analysis of oxidized fatty acids in food

In einem weiteren Vortrag setzte sich Prof. Dr. Martin Smollich, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, kritisch mit der Hypothese auseinander, dass hochverarbeitete Lebensmittel/Ultra Processed Food (UPF) deshalb krank machen, weil sie hoch verarbeitet sind – unabhängig vom Nährwertprofil. Zunächst ging er dazu auf die NOVA-Klassifizierung ein, insbesondere auf deren Schwächen. So umfasst NOVA Gruppe 4 insgesamt 10-12 verschiedene Lebensmittelgruppen. Weiterhin erläuterte er die alles andere als eindeutige Studienlage – i.d.R. handelt es sich um Beobachtungsstudien. Außerdem setzte er sich detailliert mit den postulierten Mechanismen auseinander. Bei näherer Betrachtung und Differenzierung der Lebensmittelgruppen zeigt sich demnach kein pauschaler Zusammenhang zwischen UPF-Verzehr und Gesundheit. Zusätzlich wies er darauf hin, dass heutige UPF nicht mehr mit früheren UPF vergleichbar seien, z.B. durch das Verbot von oder den freiwilligen Verzicht auf Zusatzstoffe. Insofern ist eine Übertragbarkeit von älteren Studienergebnissen auf heutige Verhältnisse kritisch zu hinterfragen. Auch wäre ein pauschaler UPF-Verzicht nicht sinnvoll, weil UPF auch erhebliche Vorteile aufweisen wie z.B. die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit bzw. die NOVA Gruppen 1-3 nicht automatisch gesund sind wie am Beispiel Honig zu sehen ist, zuzuordnen der NOVA Gruppe 2.

Als Fazit zieht er:

  • Die gesundheitliche Beurteilung von Lebensmitteln aufgrund ihres Verarbeitungsgrades ist ohne wissenschaftliche Grundlage.
  • Assoziationen zwischen UPF-Verzehr und Krankheiten sind lediglich für Softdrinks und hochverarbeitete Fleischprodukte nachweisbar.
  • Das UPF-Konzept ist ohne Vorteil gegenüber der etablierten Nährwertbeurteilung.

Weitere Themen in den Sitzungen waren Berichte u. a. über die aktuelle Fachliteratur, die Arbeiten im LeguNet sowie über einen Workshop zu Leguminosen in der Humanernährung im Rahmen eines vom BMEL geförderten Projektvorhabens zur Weiterentwicklung der Eiweißpflanzenstrategie im Juli 2024.

In der Frühjahrssitzung informierten sich die Mitglieder über den Sachstand zu Rapsprotein in der Humanernährung. Dazu berichtet Dr. Jens Lübeck, NPZ Innovation Hohenlieth, im Wesentlichen aus aktuellen Arbeiten aus dem RaPeQ-Projekt. RaPEQ III läuft als BMBF-gefördertes Vorhaben von April 2023 bis März 2026. Winterraps ist die wichtigste heimische Ölpflanze in Deutschland und liefert darüber hinaus über 1 Mio. t Rohprotein pro Jahr, welche derzeit ausschließlich in der Tierernährung i.d.R. als Rapsextraktionsschrot (RES) genutzt wird. Rapsprotein selbst weist eine sehr gute Aminosäurezusammensetzung und einen hohen Nährwert auf. Für die breite Nutzung in der Humanernährung sind aber noch verschiedene Herausforderungen entlang der Wertschöpfungskette zu lösen, z.B. ist der derzeitige Ölmühlenprozess nicht in der Lage, eine bestmögliche Rapsproteinqualität für die Humanernährung zu liefern. Lebensmitteltechnologisch besteht bereits heute die Möglichkeit, RES und Rapskuchen in geringen Mengen in Lebensmittel einzuarbeiten – hierzu hat die UFOP ein FEI-Projekt gefördert, das durch die UFOP-Fachkommission Humanernährung begleitet worden ist. Hauptziel des RaPEQ-Projekts ist es, aus pflanzenzüchterischer Sicht Rapsprotein für die menschliche Ernährung in großem Stil zugänglich zu machen, wobei der Schwerpunkt auf der Verbesserung der Proteinausbeute und der Verringerung des bitteren Fehlgeschmacks liegt. Im Ergebnis soll ein mengenmäßig relevanter heimischer Rohstoff bereitgestellt werden, der als hochwertiges, schmackhaftes und gut verarbeitbares Pflanzenprotein von der Ölsaatenverarbeitenden und der Lebensmittelindustrie wirtschaftlich genutzt werden kann.

Im Projekt RaPEQ III sollen Rapslinien entwickelt werden, die weniger Kaempferol-Derivate in den Samen enthalten, – durch gezielte Mutation von Flavonol-Synthase-Genen – sowie Elitelinien mit hohem Proteinertrag und reduzierten Kaempferol-Gehalt. Zudem wurde ein hydroxylierter Naringenin-Metabolit als wirksamer Bittergeschmacksmodulator identifiziert. Erste Ergebnisse werden für Rapslinien mit erhöhten Gehalten des hydroxylierten Naringenin-Metaboliten in den Samen vorgestellt. Alle relevanten geschmacksstörenden Verbindungen in einer Vielzahl von Rapsmehlen und anderen Rapsprotein-reichen Fraktionen werden identifiziert und validiert. Zur Ernte 2025 stehen erste Rapslinien aus dem Vorhaben in Dänemark im Versuchsanbau.

Beim Ausblick auf neue Projektvorhaben sowie der künftigen Tätigkeit der Fachkommission erfolgte die Information über und die Abstimmung zu zwei in der Geschäftsstelle eingegangenen Projektideen.

Zur Weiterentwicklung der UFOP-Gremienarbeit haben die UFOP-Fachkommissionen Tierernährung und Humanernährung am 20. Mai 2025 erstmals ein gemeinsames Treffen durchgeführt. Wir verweisen hier auf den entsprechenden Bericht im Kapitel 5.3 „Fachkommission Tierernährung“.

Der nachfolgende Austausch zu den Ergebnissen des gemeinsamen Sitzungsteils führte zu der Überlegung, an der TU Berlin sowie den Universitäten Bonn und Halle Bachelor- bzw. Masterarbeiten zum Konzept der Proteinbewertung von Lebensmittel nach der DIAAS-Methode zu adressieren. In der Sache wäre ein Zusammentragen und ein Vergleich der in der internationalen Literatur verfügbaren Datenlage wünschenswert.

UFOP-Projektvorhaben

Einfluss einer mit Rapsöl angereicherten proteinbetonten Restriktionsdiät auf Nährstoffsensoren und Immunmodulatoren im Magen bei Patienten mit erheblichem Übergewicht   

Projektbetreuung: Institut für Biologie der Universität Hohenheim
Laufzeit: Juli 2021 bis Juni 2023 (Abschluss der Arbeiten im November 2024)

In den Untersuchungen der Universität Hohenheim wurde die Frage bearbeitet, ob sich durch eine Rapsöl-angereicherte proteinbetonte Restriktionsdiät günstige Effekte auf das Ghrelin-Ghrelin-O-Acyltransferase (GOAT)-System und den Entzündungsstatus erzielen lassen.

Für die Beantwortung wurde eine 4-wöchige, pflanzenproteinreiche Reduktionsdiät ohne (Diät A) und mit Rapsöl-Anreicherung (Diät B) durchgeführt. Es erfolgten Blutentnahmen vor und nach der Intervention sowie die Entnahme von Magengewebeprobe nach der Intervention bei einer OP. Die Intervention konnte zunächst mit 29 (Diät A) bzw. 32 Probanden (Diät B) begonnen werden, wobei in beiden Gruppen letztlich von jeweils 18 Probanden die Daten in die Auswertung eingeschlossen werden konnten. Bei näherer Betrachtung fällt auf, dass der BMI in der Diät-Gruppe B vor der Intervention etwas höher lag. Die Probanden in beiden Gruppen haben deutlich abgenommen, die in der Diät-Gruppe B sogar in der Tendenz etwas mehr. Nach einer 4-wöchigen mit Rapsöl angereicherten proteinbetonten Restriktionsdiät konnten folgende Effekte gesehen werden:

  • eine signifikant höhere Dichte Ghrelin-positiver Zellen (ca. +38 %),
  • eine Tendenz erhöhter Dichte GPR120-positiver Zellen,
  • eine signifikant höhere Dichte CaSR-positiver Zellen (ca. +27 %),
  • eine signifikant höherer prozentualer Anteil GPR120-tragender Ghrelinzellen (ca.+28 %)
  • sowie kein Einfluss auf den prozentualen Anteil an CaSR-tragender Ghrelinzellen durch eine mit Rapsöl angereicherten proteinbetonten Restriktionsdiät

Insgesamt waren entgegen der Arbeitshypothese und trotz der vorstehen aufgeführten Effekte keine Veränderungen der Ghrelin (GHLR)- und Ghrelin-O-Acyltransferase (GOAT) mRNA-Expressionslevel durch die mit Rapsöl angereicherte Proteindiät und kein Einfluss der 4-wöchigen proteinbetonten Restriktionsdiät auf den acyl-Ghrelinspiegel im Plasma feststellbar.
 

Rapsöl im Vergleich zu Kokosöl (Projektverlängerung zum Effekt der Sättigung)   

Projektbetreuung: Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften der Universität Bonn
Laufzeit: Mai 2024 bis November 2024

In diesem Projektteil wurden akute Effekte von Rapsöl im Vergleich zu Kokosöl auf hunger- und sättigungsassoziierte Parameter bei älteren Erwachsenen mit Risikophänotyp für kardiometabolische Erkrankungen (RaKo-Studie) untersucht.

Bei der Auswertung der Hauptstudie ist bei der Ghrelin-Konzentration ein Effekt beobachtet worden, der bei einer Rapsöl-Diät auf eine höhere Sättigung im Vergleich zu einer Kokosöl-Diät schließen ließ, wobei dies kein Effekt der Fettmenge war. Um diese Arbeitshypothese abzusichern, hatte die Durchführungsstelle einen Antrag auf Projektverlängerung mit dem Ziel der PYY-Untersuchung – PYY ist ein Gegenspieler zum Ghrelin und dient der umfassenden Charakterisierung des Hunger-/Sättigungssystems – gestellt, der vom UFOP-Vorstand auf Empfehlung durch die Fachkommission positiv beschieden worden ist. In der Folge wurde die Analyse von „Human PYY“ aus bestehenden Serum-Proben der RaKo-Studie mittels ELISA-Testkits der Firma Merck Millipore durchgeführt.

Die gemäß dem Verlängerungsantrag durchgeführten Untersuchungen konnten jedoch die Ghrelin-Daten aus der Hauptphase der Arbeiten nicht bestätigen: es wurden höhere PYY-Gehalte nur nach den High-Fett-Diäten der RaKo-Studie gefunden, aber keine Effekte nach Fettart. Damit konnte in der Projektverlängerung die Arbeitshypothese der höheren Sättigung nach Rapsölverabreichung im Vergleich zu Kokosöl leider nicht bestätigt werden.